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Das verbotene Wort

Das verbotene Wort

Menschen, die sich für den Frieden einsetzen, werden heute angefeindet. Durch Bildung und psychologische Hilfe können mehr Menschen Friedensfähigkeit erlangen.

Zwei Reden in der Vollversammlung der Vereinten Nationen

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić warnte in seiner Rede bei der UN-Generalversammlung vor einem Weltkrieg. Im Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender Radio Television of Serbia meinte er, in ein oder zwei Monaten könnte sich die Welt in einen Konflikt von einem Ausmaß hineinbewegen, wie es ihn seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat (1). Laut der Schweizer Wochenzeitung Weltwoche sagte er auch:

„Frieden ist ein verbotenes Wort geworden, alle haben ihre Lieblinge und ihre Schuldigen. Solange es den Großmächten gut geht, berufen sie sich auf völkerrechtliche Prinzipien. Sind sie mit ihnen nicht einverstanden, leiden Recht, Gesetz und Gerechtigkeit. (…) Der globale Frieden und die Stabilität sind weiterhin akut bedroht. Wir stehen weiterhin vor Problemen im Zusammenhang mit der Energiesicherheit, der finanziellen Instabilität sowie der Sicherheit und den Unterbrechungen der Versorgungsketten für Lebensmittel und Medikamente. Wir haben nicht nur keine Lösungen für viele Probleme gefunden, sondern sie sind auch zahlreicher geworden, und einige von ihnen sind sogar noch komplexer geworden“ (2).

Der Außenminister der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, sagte in seiner Rede vom 23. September 2023 laut deutscher Tageszeitung Junge Welt:

„In den Reden vieler meiner Vorredner wurde bereits der Gedanke geäußert, dass unser gemeinsamer Planet unumkehrbaren Veränderungen unterworfen ist. Vor unseren Augen wird eine neue Weltordnung geboren. Die Konturen der Zukunft entstehen im Kampf. Zwischen der Weltmehrheit, die für eine gerechtere Verteilung des globalen Reichtums und zivilisatorische Vielfalt eintritt, und den wenigen, die neokoloniale Methoden der Unterwerfung einsetzen, um die ihnen entgleitende Vorherrschaft aufrechtzuerhalten.

Die ‚Visitenkarte‘ des ‚kollektiven Westens‘ sind seit Langem die Verweigerung des Grundsatzes der Gleichberechtigung und totale Vertragsuntreue. Gewohnt, auf die übrige Welt von oben herabzuschauen, geben Amerikaner und Europäer ständig Versprechen ab, auch schriftliche und juristisch verpflichtende. Danach erfüllen sie sie einfach nicht. Wie Präsident Wladimir Putin feststellte, ist der Westen ein wahres ‚Imperium der Lüge‘“ (3).

Beide Reden riefen in der Politik und den Medien des Westens ablehnende Reaktionen hervor.

„Die Menschheit muss sich die Ergebnisse der psychologischen Forschung zu eigen machen.“

Als Pädagoge und Psychologe bleibe ich dabei, was ich bei meinem Lehrer, dem Psychotherapeuten Friedrich Liebling und der von ihm gegründeten Zürcher Schule für Psychotherapie einige Jahre nach meinen universitären Studien gelernt und erlebt habe.

Bereits in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg waren sich viele freiheitlich und fortschrittlich gesinnte Menschen der Gefahr des Faschismus bewusst. Es begann ein beharrlicher Kampf gegen dessen Ausbreitung, gegen die Vergiftung des Verstands und des Gemüts großer Teile der Bevölkerung durch die faschistische Ideologie.

Gemäß der Doktorarbeit von Frau Dr. Gerda Fellay, einer Schweizer Psychotherapeutin, sollen Max Horkheimer und Theodor Adorno, zwei Philosophen der „Frankfurter Schule“, nach dem Zweiten Weltkrieg wegen des Einknickens nahezu aller Deutschen vor Adolf Hitler resigniert haben. Daraufhin ließ mein Lehrer Friedrich Liebling (1893 bis 1982) den beiden Intellektuellen folgenden psychologischen Rat zukommen:

„Die Menschheit muss sich die Ergebnisse der psychologischen Forschung zu eigen machen, um ein menschenwürdiges Leben zu schaffen“ (4).

Weil die heutige politische Situation derjenigen der 1920er-Jahre sehr ähnelt und ein erneutes Aufkommen des Faschismus („Nazi-Epidemie“) droht, gilt der psychologische Rat meines Lehrers bis zum heutigen Tag.

Da die Geschichte ein Werk der Menschen ist, muss die Veränderung der Welt aus ihnen selbst kommen.

Gegenstand der psychologischen Forschung sind das geistig-seelische Leben des Menschen, seine Natur, seine seelische Verfassung und sein Verhalten. Wenn der Mensch sich und seine Mitmenschen erkennt, ändert er auch seine Sichtweise auf die staatlichen Gegebenheiten, die gesamte Gesellschaftsordnung. Die Ergebnisse der psychologischen Forschung weisen den Weg. Doch diese psychologischen Kenntnisse müssen in der Persönlichkeit der Menschen integriert und verankert werden.

Aufklärung und vernunftgemäße Erziehung

Da ein menschenwürdiges Leben in den Köpfen und Herzen der Menschen vorbereitet wird, handeln die Menschen morgen so, wie sie heute denken. Deshalb ist die Aufklärung von großer Bedeutung. Sinn aufklärerischer Bemühungen ist die Reinigung des menschlichen Bewusstseins von individuellen und kollektiven Vorurteilen, dem ideologischen Hintergrund so mancher Menschheitskatastrophen.

Man muss die Menschen aufklären in Bezug auf die Geschichte, die Wissenschaft und die Psychologie, um ihnen zu ermöglichen, sich ein neues Bild von sich selber, von der Welt und von der Gesellschaft zu schaffen. Die Zukunft unserer Kultur wird wesentlich davon abhängen, ob es genügend Aufklärer und aufklärende Medien gibt, die imstande sind, der Bevölkerung die entsprechenden Vorurteile zu nehmen und sie durch überprüfbares Wissen zu ersetzen. Die Intellektuellen haben dabei eine große Verantwortung. In einer Zeit, in der den Völkern die Vernichtung der Menschheit durch die Atombombe angedroht wird, bedürfen wir mehr denn je „freier Geister“, die uns lehren, was Wahrheit und was Lüge ist.

Wichtiger noch als die Aufklärung ist die Erziehung. Die tiefenpsychologische Forschung hat die ungeheure Tragweite der Erziehung deutlich gemacht. So wissen wir heute, dass der Mensch in einem derartigen Maße das Produkt seiner Erziehung ist, dass wir hoffen können, durch psychologische Erziehungsmethoden Menschen heranzubilden, die gegen die Verstrickungen des Machtwahns gefeit sind. Wenn eine rationale Erziehung in Elternhaus und Schule auf Angst auslösendes Autoritätsgebaren sowie auf unangebrachte Verzärtelung verzichtet und sich mit wahrem Verständnis dem kindlichen Seelenleben zuwendet, wird sie einen Menschentypus hervorbringen, der keine Untertanen-Mentalität besitzt und darum für die Machthaber in unserer Welt kein gefügiges Werkzeug mehr sein wird.

Die Achtung des Erziehers vor der kindlichen Persönlichkeit und seine freundschaftliche Zuwendung zum Kind werden einen wertvollen Beitrag zum Aufbau einer humanen Gesellschaftsordnung und zur Schaffung eines menschwürdigen Lebens leisten.

Die Schule wird als Basis der ganzen Erziehung eines Volkes angesehen. Aufgabe der Schule ist es, dafür zu sorgen, dass Menschen herangebildet werden, die im Leben selbstständig weiterarbeiten und alle notwendigen Erfordernisse nicht als fremde Angelegenheit, sondern vor allem als ihre Sache betrachten, um daran mitzuwirken.

Bildung

Bisher wurde versäumt, Erzieher auszubilden, die fähig sind, eine Generation heranzubilden, die eine neue Sozialordnung verwirklichen kann. Oft besteht ein tiefer Graben zwischen den augenfälligen politischen Haltungen und den verborgenden Charakterstrukturen der in der Gesellschaft fortschrittlich handelnden Zeitgenossen. Im familiären Bereich bleiben sie oft der autoritäre Gatte oder Vater. Deshalb ist die Bildung der Erzieher im Allgemeinen, der Eltern, der Lehrer, der Ärzte und der Psychologen zu einer echten Integration des Wissens über die Psyche von großer Bedeutung.

Der Jugend muss auch eine politische Bildung vermittelt werden, damit sie nicht die gleichen Fehler macht wie die vorangegangene Generation. Sie muss die Geschichte kennenlernen, damit die zunehmenden Geschichtsfälschungen nicht auf fruchtbaren Boden fallen und persönliche Vorurteile verstärken.

Solange wir nicht geschichtlich denken, das heißt, die Geschichte miteinbeziehen, werden wir immer in die Irre gehen. Angesichts der Bildungskatastrophe in den westlichen Ländern wird das ein schwieriges Unterfangen werden. Überall fehlen gut ausgebildete Lehrkräfte.

Hinzu kommt die fehlende Bildung im psychologischen Sinne. Dabei würde es darum gehen, der Jugend und allen anderen Menschen zu vermitteln, wie sie ihre Probleme lösen können und sollen. Sie werden dann eine realistischere Sichtweise bekommen. Die wichtigsten Probleme sind ihr Lebensgefühl, ihre Meinung über sich selbst, ihre Kameraden, alle weiteren Mitmenschen, über die Gemeinde und den Staat.

Da es schwierig ist, Erwachsene für ein Leben in Gleichwertigkeit und Gewaltlosigkeit zu gewinnen, sollte unbedingt früher damit begonnen werden, Eltern und Unterrichtende aufzuklären und sie für eine gewaltlose und rationale Erziehung ihrer Kinder und Schüler zu gewinnen. Doch alles muss in absoluter Freiwilligkeit geschehen. Nur so wird die Welt genesen, wird die Menschheit weiterkommen — indem sich die Menschen auf freiwilliger Basis assoziieren, indem sie sich zusammensetzen und überlegen, wie sie die anstehenden Probleme gemeinsam lösen können.

Hilfe auf gefühlsmäßiger Ebene

Menschen können ihren Charakter nicht von heute auf morgen verändern, das braucht viel Zeit und Geduld. Falls aber Zweifel am bisher Gelernten aufkommen und sie die wahre Natur des Menschen kennenlernen wollen, können sie sich das entsprechende Wissen jederzeit aneignen.

Das geeignete Werkzeug für so einen mutigen Schritt in die Neuzeit ist die wissenschaftliche Disziplin der Psychotherapie. Durch die Vertrauensbeziehung zu einem Psychologen kommen sie in die Lage, das Wesen und die spezielle Reaktionsweise des Menschen kennenzulernen. Dies führt in der Regel zur Umorientierung des Charakters, zur Versöhnung mit den Eltern, zu freundschaftlichen Beziehungen mit den Mitmenschen und zum Verständnis des kulturellen Problems. Das Leben wird schöner und würdiger. Ohne psychologische Kenntnis der Natur des Menschen versandet alles ebenso wie ohne geschichtliches Wissen und vertiefte Kulturkritik.

Bevor wir die Natur des Menschen und die Reaktionen des menschlichen Gefühls und der menschlichen Seele nicht genau kennen, stochern wir im Finstern herum und kommen nicht weiter. Wenn wir sie kennen, haben wir eine andere Meinung über uns und die anderen Menschen, besitzen wir Menschenkenntnis.

Wir wissen dann, was wir von den Mitmenschen verlangen und was wir ihnen zumuten können. Wir kennen dann die menschliche Psyche und wie der Mensch reagiert. Nie werden ein Elternteil oder eine Lehrkraft, die über die Probleme der Erziehung informiert sind, in gleicher Weise mit dem Kind umgehen wie derjenige, der das nicht weiß. Doch erst die Vertrauensbeziehung zu einem Psychotherapeuten führt zur Umorientierung des Charakters, zu Zweifeln am erlernten Wissen und zum Verständnis des kulturellen Problems.

Wie soll der Mensch zum Beispiel seine Ängste überwinden? Er kann sie erst dann ablegen, wenn er mit einem Menschen etwas erlebt, das im Gegensatz steht zu seinen Erlebnissen in der Kindheit mit den Eltern oder Erziehern. Er muss erleben, dass da ein anderer Mensch ist, der in ihm das Gefühl des Vertrauens erweckt, der ihn versteht und bei dem er sich wohl fühlt. Die Ängste, die er erlebt hat, noch bevor er sich überhaupt Gedanken machen konnte, kann er dann langsam mit einem anderen, mit einem „Du“ ablegen.

Wenn er Bescheid weiß über sich und die Haltung anderer, wenn er anfängt zu zweifeln, erst dann entsteht der wirkliche Mensch. In seine Selbsterkenntnis muss die gesamte soziale Gesellschaftsordnung miteinbezogen werden, wie zum Beispiel das vorherrschende gesellschaftliche Prinzip der Gewalt und des Zwanges. Solange ein Mensch dem anderen zürnt, ein scharfer Richter ist, hat er kein richtiges Bild, kennt er sich nicht. Erst wenn er die Untaten der anderen sieht und ihm zum Weinen ist, sieht er sich richtig.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https;//weltwoche.ch/daily/serbiens-praesident-alexandar-vucic…Serbiens Präsident Aleksandar Vučić warnt vor Weltkrieg: Der Konflikt in der Ukraine könnte sich „einem großen Krieg nähern.“
(2) https;//weltwoche.ch/daily/serbiens-praesident-alexandar-vucic…Serbien-Präsident Aleksandar Vučić bei der UN-Generalversammlung: „Frieden ist ein verbotenes Wort geworden, alle haben ihre Lieblinge und ihre Schuldigen. Solange es den Großmächten gut geht, berufen sie sich auf völkerrechtliche Prinzipien. Sind sie mit ihnen nicht einverstanden, leiden Recht, Gesetz und Gerechtigkeit.“
(3) https://www.jungewelt.de/artikel/print.php?id=460010 „Neue Weltordnung wird geboren“.
(4) Fellay, Gerda (1997 / 2010): Friedrich Liebling. Leben und Werk – eine Einführung, Dissertation, New York, Paris, Bern und Sitten (Schweiz), Seite 16.


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